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Der Titel heißt pathetisch "Krieg und Frieden"

War das nicht etwas aus Russland - von oder mit Leo Tolstoi ? Doch zum Glück haben sich die Redakteure im Frühjahr 1980 nicht dazu hinreißen lassen, das Thema "Röhrenverstärker im Vergleich mit Transistorverstärkern" im Pathos versinken zu lassen.

Von Gert Redlich im März 2017 - Wir schreiben ja erst 1980 und die Glaubenskriege (Glühen oder Nicht-Glühen) sind erst nach der Jahrtausendwende so richtig ausgebrochen. Das Internet mit den divesen pseudoreligiösen Hifi-Foren hatte ünrigens einen Großteil dazu beigetragen.

Nach wie vor gibt es Spezialisten, die behaupten, Röhrenverstärker "sind" einfach besser als Transistorverstärker". - Wenn Sie den nachfolgenden Text aufmerksam lesen, stellen auch Sie fest, die stereoply Redakteure hatten sich "redlich" bemüht, die Religion außen vor zu lassen und einen sachlichen, fundierten und fairen Vergleich ohne frühpubertäre Wortschöpfungen anzustellen. Alleine der Titel ist etwas Abseits geraten.

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"Krieg und Frieden" (aus stereoplay 5/1980)

Vom traumhaft guten Klang der Röhren- verstärker träumen noch immer manche Hifi-Freunde. Zu Recht ?

Wenn im Prospekt der kleinen Londoner HiFi- Firma Michaelson & Austin anmachende Schlagworte wie „überragende Klangqualität", „frei von TIM*- Verzerrungen" (* TIM = "Transient Intermodulation Distortion", eine Verzerrungsart, die besonders bei schneller Impulsverarbeitung auftritt) oder „in Handarbeit hergestellt" zu lesen sind und weiterhin, daß jeder TVA-1- Röhren- verstärker vor der Auslieferung von den beiden Firmeninhabern persönlich gehört wird, lassen diese Versprechungen wohl jeden HiFi-Fan unruhig werden. Aber auch die stereoplay-Tester.

Und wenn spätestens dann das Interesse des Musikfreunds merklich kleiner wird, wenn er den stolzen Preis von 3.200.- Mark erfährt, werden die Redakteure sogar regelrecht hellhörig.
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Immerwährende Glaubenskriege ?

Sofort kommen die alten und in Fachkreisen fast nie ein Glaubenskrieg ausgefochtenen Fragen auf : Klingen Röhrenverstärker wirklich "besser" als moderne Transistorgeräte? Lohnt sich also die horrende Ausgabe?

Genau das wollte stereoplay herausfinden und stellte die englische TVA-1 zwei Transistor-Endstufen gegenüber, eine aus der gleichen Preis-, die andere aus der gleichen Leistungsklasse.

Die 8 Röhren zusammen 31 Kilogramm (mit den Trafos)

Schon äußerlich macht das 31 Kilogramm schwere Kraftpaket eine Menge her. Unter der schwarzen Lochblech-Abdeckung verbergen sich drei massive, blitzsaubere Transformatoren, die der Spannungsversorgung und der Anpassung der hochohmigen Röhren an die niederohmigen Boxen dienen. Wird der Verstärker eingeschaltet, und die Röhren spiegeln sich rotschimmernd im polierten Chrom-Chassis, so gerät der TVA-1 zur wahren Augenweide.

Eher spartanisch fällt dagegen die Ausstattung aus, wie für eine Endstufe üblich: Die schmale Rückplatte zieren lediglich die Eingangs- und Ausgangsbuchsen, und auf der Frontplatte ist außer Chrom nichts zu finden. Aber das tut der vornehmen Gediegenheit des TVA-1 durchaus keinen Abbruch.

Unten drunter noch "nüchterner" . . .

Sauber verarbeitete Verstärkerplatine (oben), darunter die vier Röhrenfassungen mit Widerständen: Chassis der TVA-1
Gefährlicher Müll: Drahtstücke und Lötzinnreste, von der Endkontrolle des Nobelverstärkers übersehen

Unter der Bodenabdeckung geht es noch "nüchterner" ?? zu. Eine Handvoll Widerstände und Kondensatoren, ordentlich auf zwei Platinen montiert, sorgen für die korrekte Funktion der Röhren. Mehr gibt es nicht zu sehen - außer etlichen Drahtstückchen und Lötzinnreste, die lose im Testgerät herumlagen, jederzeit bereit, einen saftigen Kurzschluß zu verursachen.
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Im Meßlabor gabs lange Gesichter

Als aber dann das Prachtstück ins Meßlabor kam, machten die Tester schon bald lange Gesichter. Um es auf einen Nenner zu bringen: Die Meßdaten waren miserabel.

Zwar brachte der Bolide seine Nennleistung von 70 Watt spielend auf, und der Leistungsfrequenzgang darf, besonders für einen Röhrenverstärker, geradezu als exzellent gelten.

Aber die Klirrfaktor-, Intermodulations- und TIM-Werte brachten die Tester zum Schwitzen. War das möglich? Die Intermodulation sank in keinem Fall unter ein Prozent, der Klirrgrad stieg bei 20 Kilohertz über drei Prozent, und das TIM-Spektrum war das schlechteste, das je im stereoplay-Labor gemessen wurde.

Die zwei Vergleichs-Verstärker

Transistor-Konkurrent vergleich- barer Leistung: Hitachi HMA-7500 und Transistor-Konkurrent der gleichen Preisklasse: Audiolabor ES 200

Im Vergleich zu den beiden Transistorverstärkern - in der gleichen Leistungsklasse trat der HMA-7500 von Hitachi aus Japan an (Preis 1.198 Mark) und außerdem der doppelt so starke Audiolabor ES 200 des kleinen westfälischen HiFi-Unternehmens Audiolabor, dessen Preis von 2.500 Mark schon zur Klasse des TVA-1 zählt - nahmen sich die Meßwerte des Briten recht kläglich aus. Der schlechteste Klirrwert des Hitachi betrug ganze 0,004 Prozent und war damit 80mal besser als derjenige des TVA-1, und der Audiolabor schaffte immerhin noch ein Zwanzigstel des TVA-1-Werts.

Entsprechend sahen die Daten für die Intermodulation und TIM aus. Die Konkurrenten zeigten hier vorbildliche Diagramme, so daß beide Verstärker das Prädikat „TIM-frei" führen können, ohne dabei rot werden zu müssen.
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Messen und Hören sind zweierlei

Sicher geben die Meßwerte keinen vollständigen Aufschluß über die Qualitäten eines Verstärkers. Aber beim Röhrenverstärker sprechen sie eine deutliche Sprache, die wohl auf die problematischen Ausgangsübertrager zurückgehen dürfte. Die niederohmigen Transistoren sind hier eindeutig im Vorteil: Auf den Trafo können sie verzichten. Aber letztlich muß der Hörtest über die Klangqualität eines Testgeräts entscheiden. Um es vorwegzunehmen: Auch hier lieferte der TVA-1 wieder eine Überraschung.

Meßapparatur und Programmquellen

Die drei Endstufen wurden über eine Umschaltanlage an die englischen Monitore von IMF, die stereoplay als passive Abhörlautsprecher benutzt, angeschlossen.

Als Vorverstärker diente der AGI 511 (Test stereoplay 12/1979), der vom Micro-Laufwerk BL-91 (Test stereoplay 3/1980) mit Hadcock-Arm und AKG P8ES-System gespeist wurde.

Eine Reihe perfekter Aufnahmen mit charakterstarken Soloinstrumenten, ausgeprägten Stimmen, dynamischem Schlagzeug und komplexem Orchester lieferten die Basis für den kritischen Vergleich.

Trotz der schlechten Meßwerte - die Überraschung

Ganz im Gegensatz zu den schlechten Meßwerten überraschte die TVA-1 mit einer Wiedergabe, die durch prägnante Mitten auffiel. In diesem wichtigen Frequenzbereich waren weder der Hitachi noch der Audiolabor dem Briten überlegen.

Ein verhaltenes Kammerorchester geriet mit dem Röhrenverstärker zum reinen Vergnügen. Der Hitachi klang praktisch identisch, der Audiolabor schien geringfügig analytischer. Bei diesen geringen Unterschieden stellt sich natürlich die Frage, was richtig ist. Mit den heutigen Meßmitteln ist sie allerdings nicht zu beantworten.

Genauso blieb die Frage offen, ob die etwas tiefer reichende Räumlichkeit des TVA-1 gegenüber den Transistorgeräten der Wahrheit entspricht, oder ob sie der Röhrenverstärker selbst hinzufügt - vermutlich ist die zweite Möglichkeit zutreffend.

Im Bass gibt es deutliche Unterschiede

Im Baßbereich ergaben sich dann allerdings klarere Verhältnisse. Hier schlug die Audiolabor-Endstufe deutlich die TVA-1. Kesselpauken reichten tiefer und kamen mit mehr Druck. Bei dem teuren Briten kamen die Baßinstrumente auch weniger gut definiert. Nur bei extrem lauten Passagen schaffte die HMA-7500 an der IMF nicht ganz die vorzügliche Baßreproduktion der ES 200. Der TVA-1 war sie jedoch in jedem Fall überlegen.

Bei den Höhen auch deutliche Unterschiede

Auch die Höhen gingen klar an die beiden Transistor-Konkurrenten. Hier kamen die schlechten Verzerrungswerte beim TVA-1 hörbar zum Ausdruck. Die zur Instrumenten-Charakterisierung wichtigen Obertöne schienen förmlich am Instrument zu kleben, so daß Triangel oder Trompeten klangen, wie wenn sie hinter einem dünnen Vorhang gespielt würden.

Dagegen hauchten die Halbleiter-Verstärker den Instrumenten Glanz ein. Jetzt verloren obertonreiche Streicher und Bläser die Belegtheit und Rauhigkeit, mit der sie von dem Röhrengerät wiedergegeben wurden. Und jetzt erst kamen Leben und glasklare Definition in ein komplexes Orchester.

Warum HiFi-Fans an nostalgischen Röhrengeräten hängen

Trotzdem ist zu verstehen, daß noch immer einige HiFi-Fans an nostalgischen Röhrengeräten hängen. Sie gehörten schließlich zur HiFi-Entwicklung und boten ohne Zweifel lange Zeit die bestmögliche Wiedergabe.

Nostalgie, Flair und Mythen

Das Beispiel des TVA-1 zeigt aber drastisch, daß heute für weniger Geld mehr HiFi erworben werden kann. Der HMA-7500 von Hitachi beispielsweise schlägt klanglich den TVA-1 klar und kostet nur ein Drittel. Die Fortschritte in der Halbleitertechnik wuchsen in den vergangenen Jahren so gewaltig, daß man über die Resultate nicht weghören kann.

Aber eines bleibt dennoch: Die Röhrenverstärker strahlen ein Flair aus, das an eine altgediente Dampflok erinnert. In diesen Bereich gehören auch die Behauptungen einiger Fans, die hartnäckig meinen, ein Röhrenverstärker sei nach wie vor dem transistorisierten Bruder überlegen: in den Bereich der Nostalgie.

Hintergrund und Resume laut Chefredakteur G.O. Dick

Doch der Krieg zwischen Röhren- und Transistor-Anhängern dürfte jetzt einem tiefen Frieden gewichen sein. Denn der Verlierer steht eindeutig fest. Der neuerliche Röhren-Rummel hat vermutlich aber einen ganz anderen Hintergrund:

Einen wirklich guten Transistorverstärker zu bauen, dazu braucht es viel Entwicklungskapazität, viel Know-how, Geld, Zeit, Versuche ...

Für einen Röhrenverstärker braucht man hingegen nur zu uralten, früher vielfach bewährten Schaltungskonzepten zu greifen: Kein Grund, daraus eine neue Hör-Philosophie zu stricken.

Gerald O. Dick

  • Anmerkung aus 2017 zum Resume : So stimmt das nun auch wieder nicht. Da ist Herr Dick damals auch einer Legende aufgesessen. Bei Röhrenverstärkern braucht man mehr Wissen und Erfahrung, um auf das Niveau der modernen Transistoren zu kommen. Lesen Sie die Story über die McIntosh Ausgangsübertrager. Es sind frühe Wunderwerke mit zig Wicklungen. Weiterhin sind Röhren bereits im Neuzustand bereits sehr unterschiedlich und dann altern sie auch noch unterschiedlich schnell.

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Das fiel bei der TVA-1 auf :

Die große Diskrepanz zwischen Meßwerten und Klangergebnis überraschte gewaltig: Trotz recht mäßiger Daten klang die TVA-1 keinesfalls schlecht. Ein transistorisiertes Gerät mit diesen miesen Werten würde fatal klingen, dessen bin ich mir sicher. Doch trotz dieser beschönigenden Eigenschaft der Röhrenverstärker gibt es, wie der Test klar zeigte, Transistorgeräte, die besser klingen und dabei noch wesentlich billiger sind.
DK

Warum klingen Röhren anders ?

Röhren sind nicht nur größer, teurer, zerbrechlicher und heißer als Transistoren. Auch die für den Konstrukteur eines Verstärkers interessanten inneren Werte (die elektrischen Daten), praktisch die Arbeitsmoral der beiden, weisen erhebliche Unterschiede auf.

Während etwa Transistoren dem Verstärkungsfaktor, er sollte möglichst konstant sein, einen großen Spielraum einräumen - oft ändert er sich zum Leidwesen der Ingenieure bei der Verarbeitung von Fortissimostellen um den Faktor hundert - zeigen sich Röhren berechenbarer. Hier fallen die entsprechenden Zahlen nach dem Motto „klein aber fein" zwar bescheidener, dafür aber recht konstant aus.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die hohe Betriebsspannung der Röhren. Sie liegt mitunter 20mal höher als bei Transistoren, weshalb Nichtlinearitäten der Kennlinien (sie sind für den Klirrgrad verantwortlich) günstiger verlaufen. Da aber beide Verstärkertypen die gleichen Musikpegel verarbeiten müssen, produziert der Transistor folgerichtig mehr Klirr als eine Röhre.

Verzerrungen lassen sich aber durch Gegenkopplung reduzieren. Sie kontrolliert nämlich, ob das Ausgangssignal tatsächlich dem Eingangssignal entspricht, und greift, wenn erforderlich, korrigierend ein. Diesem Korrekturbefehl kann der Verstärker aber nur Folge leisten, wenn sein Verstärkungsfaktor eine ausreichende Reserve besitzt und die Regelung schnell genug erfolgt.
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Aus diesem Grunde findet sich in einem guten Transistorverstärker meist eine große Zahl Transistoren mit straffer Gegenkopplung, während dem Röhrengerät wenige Röhren geringer Gegenkopplung genügen. Bei Vorverstärkern mit Röhren oder Transistoren entsteht so ein Patt.

Den Endverstärker mit Röhren trifft allerdings ein ernstes Handikap: Zur Anpassung der hochohmigen Röhren an die niederohmigen Lautsprecher ist ein Übertrager erforderlich. Doch der Bau guter Ausgangstransformatoren ist mit großen Schwierigkeiten verbunden und erfordert viel Erfahrung, und manchmal tüfteln die Konstrukteure an ihm jahrelang herum. Bringt ein Röhrenverstärker weiche Bässe und unsaubere Höhen, so geht das meist auf den Trafo zurück.
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Marktübersicht Röhren-Vorverstärker (1980) :

Hersteller/Vertrieb Modell Marktpreis DM
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Ampliton/Taurus, Friedlebenstraße 42, 6000 Frankfurt 50 PR50 2160
Anzai/Audiosystems-Design, Thielalle 6a, 1000 Berlin 33 SRPP 1600
Audio Research/Teltronics Sari 1a, Rue des Bains, Luxemburg SP-6B 3900
Berning/Audio Components, Hegestraße 64, 2000 Hamburg 20 TF-10 4400
Conrad Johnson/Audio Components Conrad-Johnson 2100
Grant Lumley/Jürgen Schumpich, Erlenweg 2, 8021 Taufkirchen GL 100 P 1400
Luxmann/all-akustik, Eichsfelderstraße 2, 3000 Hannover 21 CL32 2400
Marantz/Max-Planck-Straße 22, 6072 Dreieich 7C K (Bausatz) 3000
Precision Fidelity/Audiosystems-Design C4 C7 3500 1700
TAKI/Audiosystems-Design T33S 4000
Audio Illusions/Audiosystems-Design Dual mono 2700

Marktübersicht Röhrenendstufen (Mai 1980) :

Hersteller/Vertrieb Modell Marktpreis DM
  -------------------------------------------- ------------------------
Ampliton/Taurus, Friedlebenstraße 42, 6000 Frankfurt 50 TS 3000 TS 5000 TS 8000 1850 2500 3560
Audiomcs/Audio Components, Hegestraße 64, 2000 Hamburg 20 BA 150 8800
Audio Research/Teltronics Sari 1a, Rue des Bains, Luxemburg D79 9800
Conrad Johnson/Audio Components Conrad Johnson 3400
Esotenc/Audio Components Esoteric 100 Esoteric 500 1625 5000
Futterman/Audiosystems-Design, Thielallee 6a, 1000 Berlin 33 H3aa (lieferbar im Herbst) 2500
Grant Lumley/Jürgen Schumpich, Erlenweg 2, 8021 Taufkirchen GL50A GL100A GL 100 AM 2350 3500 2500
Luxman/all-akustik, Eichsfelder Straße 2, 3000 Hannover 21 MQ 3600 2400
Marantz/Max-Planck-Straße 22, 6072 Dreieich 8B K (Bausatz) 3000
Michaelson & Austm/Atr, Koloniestraße 203, 4100 Duisburg 1 TVA-1 3200
TAKI/Audiosystems-Design 3380 M 4000
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